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Eine Filmkritik von Joachim Kurz
Am Anfang war das A
Alles beginnt mit einem A, so erklärt zu Beginn des neuen Filmes von Nicolette Krebitz die weibliche Erzählerinnenstimme: Das „Ah“ bei org*smus und der erste Laut, den ein Baby nach der Geburt von sich gibt — am Anfang war nicht das Wort, sondern nur ein Laut. A.
Am Anfang steht aber auch noch etwas anderes: Als Anna (Sophie Rois) durch die nächtlichen Straßen Berlins geht, wird ihr von einem Räuber die Handtasche entrissen und sie unsanft zu Boden gestoßen. Ein zufällig anwesendes junges Paar nimmt die Verfolgung auf und kann den in die Enge getriebenen Dieb schließlich hur Herausgabe der Beute bewegen. So weit, so gut, doch dann begegnen sich die beiden wieder, durch einen Zufall, der die ganze Geschichte überhaupt erst in Gang setzt.
Denn die erfolglose Schauspielerin Anna, die bei ihrem befreundeten, fast väterlich anmutenden Vermieter (Udo Kier) mit einigen Monatsmieten in der Kreide steht, lässt sich von ihrem Arzt dazu überreden, einem Schüler aus schwierigen Verhältnissen Sprechunterricht zu geben, das dieser bei einer Schultheateraufführung mitwirken soll. Als sie den jungen Mann namens Adrian (Milan Herms) vorgestellt wird, erkennt sie in ihm den nächtlichen Dieb und auch er weiß ganz genau, wen er da vor sich hat. Also beginnen genau in diesem Wissen um das gemeinsam Erlebte die wöchentlichen Unterrichtsstunden mit Sprachübungen — und natürlich beginnen diese mit den Vokalen — genauer gesagt mit einem A.
Von diesem Punkt aus entwickelt sich zwischen dem schweigsamen und gehemmten Adrian und der resoluten, aber ein wenig chaotischen Anna eine Freundschaft, eine Liebe vielleicht sogar gegen jede Konvention, mit immer wieder überraschenden Wendung, die die beiden schließlich vom Suppe essen in der spartanischen Berliner Altbauwohnung über Diebestouren durchs KaDeWe sogar bis an die Côte d’Azur führen wird.
Temporeich, poetisch-versponnen und fantasievoll, mit wilden Volten, verrückten Wendungen und surrealen Episoden wie eine Mischung aus Außer Atem, altmodischer Gaunerkomödie, frischer Amour fou Liebesgeschichte und existenzialistischer Sommerkomödie ist AEIOU — Das schnelle Alphabet der Liebe insbesondere für das deutsche Kino ein Wagnis, weil der Film sich gängigen Formeln verweigert, immer wieder vor Lust am Erzählen und Energie beinahe ins Schlingern gerät und dann doch wieder die Kurve kriegt — ein wohlkalkulierter Beinaheunfall, bei dem man einfach nicht mehr wegschauen will.
Weil der Film ausschließlich beim A bleibt, könnte man nun vielleicht vermuten, dass Nicolette Krebitz noch weitere Werke zu den restlichen Vokalen folgen lassen könnte. Auch wenn das mit Abstand betrachtet mit einiger Skepsis ob der Realisierbarkeit sehen muss — ich würde mich über die folgenden Filme über das E, das I, das O und das U freuen. Denn genau von diesem Mut, dieser Leichtigkeit, diesem Drang zum wilden Fabulieren braucht das deutsche Kino dringend mehr.
Vor einem Szenelokal in West-Berlin wird eine Schauspielerinüberfallen. Ein junger Mann rempelt sie an, entreißt ihr die Handtasche und läuft davon. Die Dame fällt auf die Knie und schaut dem Dieb hinterher. Wenig später stehen sie einander wieder gegenüber. Anna(Sophie Rois)und Adrian (Milan Herms). Dieses Mal ist sie seine Lehrerin und soll ihn im Sprechen unterrichten. Adrian ist ein Waisenkind und gilt als schwieriger Fall. Anna ist Schauspielerin, aber spielen tut sie schon lange nicht mehr. Beide stehen ein Stück neben dem Leben, einen Schritt außerhalb der Gesellschaft.Anna empfängt Adrian bei sich zuhause. Ihre Wohnung gehört Michel (Udo Kier), ihm gehört das ganze Haus. Er ist ihr größter Fan. Bald werden die Unterrichtsstunden zu Abendessen, Spaziergängen und gemeinsam gerauchten Zigaretten. Und irgendwann versuchen sie es mit dem Rest der Welt aufzunehmen. Angefeuert voneinander, aber ohne einen Pfennig, verlassen sie die Stadt. Sie wollen nach Frankreich, ans Meer… (Quelle. Port-au-Prince Pictures)
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Meinungen
wignanak-hp · 16.07.2022
Dass es der Film beim Publikum nicht immer leicht haben würde, ahnte ich schon beim Trailer. Eine nicht mehr ganz junge Frau und ein junger Mann? Ein No-Go im Kino! Umkehrt, immer. Nikoletta Krebitz ist für ihre Wagnisse (Wild!) bekannt und so geht sie auch hier keine Kompromisse ein und erzählt eine lockerleichte Geschichte ohne die üblichen Muster. Wer hier Klischees sieht, will sie sehen. Oder ist es noch immer peinlich, wenn eine ältere Frau und ein junger Mann….? Ich befürchte ja. Ich für mich freue mich jetzt schon darauf, welches Thema sich Frau Krebitz als nächstes vornimmt!
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Monika Siebert · 22.06.2022
Die Franzosen hätten sicher einen charmanten und amüsanten Film aus diesem spannenden Stoff gemacht , dito plus Witz sicher ein englischer Regisseur - dies war ein peinlicher deutscher Kunstpups !
Die Schauspieler falsch gesetzt und geführt !
Ich bin irgendwann geflüchtet !!! Schade schade um die Zeit !!
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PBri · 19.06.2022
Ein Film mit vielen Anspielungen, der sich mit gängigen Maßstäben nicht einfach messen lässt, weil er viel leichter und viel sperriger zugleich ist.
Die Schauspieler:innen liefern eine beeindruckende Leistung ab, und die Geschichte ist auf eine eigene Art sehr interessant erzählt. Ein belebendes Kinoerlebnis.
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Holm · 16.06.2022
Leider Schrott,
Komme grad aus dem Kino. Der Film ist voll gepackt mit Klischees. Echt übel
Vielleicht lernt man etwas über das Gefühlsleben von Nicolette Krebitz. Denke irgendwann hat sie in diesem Durcheinander den Faden verloren ....
Trotz Allem die Rois ist sehenswert !
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Daniel · 14.06.2022
Dieser Film war und ist verschwendete Lebenszeit. Ich besuche wöchentlich Sneak-Previews und bekam schon vieles serviert, aber hierbei war es der erste Film bei dem ich mich allen anschloss und den Saal verlassen habe. Der Film hatte keine Tiefe, thematisierte nicht den emotionalen Missbrauch einer alten Schauspielerin, die pure Arroganz ausstrahlt und sich, obgleich ihre ruhmreiche Zeit ewig zurückliegt, scheinbar für etwas besseres hält. Empowerment schön und gut, aber hierbei so etwas abzuliefern, was nichts halbes und nichts ganzes ist, ist eine Zumutung an den Konsumenten des Filmes. Diesen Film kann ich niemanden empfehlen, da dieser moralisch verwerfbar ist, die Notlage eines Minderjährigen falsch porträtiert und seine Kriminalität zelebriert.
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